Eine grundlegende Kulturtechnik für die digitale Gesellschaft

Das Thüringer Modellprojekt Achtsame Hochschulen in der digitalen Gesellschaft nimmt weiter Fahrt auf.

Unter der Leitung von Prof. Dr. Mike Sandbothe (EAH Jena) und PD Dr. Reyk Albrecht (FSU Jena) werden in dem auf die Jahre 2018 und 2019 angelegten Thüringer Modellprojekt Achtsame Hochschulen in der digitalen Gesellschaft neue Akzente für die digitale Hochschulkultur gesetzt (wir berichteten, siehe Facetten Nr. 36). Dabei handelt sich um eine Kooperation der beiden Jenaer Hochschulen mit der TU Ilmenau. Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt, dessen Konsortialführer die EAH Jena ist, wird von der Gesundheitskasse AOK PLUS und dem Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft (TMWWDG) gefördert.

„Die weltweit rasante Ausweitung der digitalen Netze stellt wachsende Anforderungen an die neuronalen Netze in unseren Köpfen“, hebt Wissenschaftsminister Wolfgang Tiefensee in der Pressemeldung des TMWWDG hervor, die auf der Homepage des Thüringer Modellprojekts zugänglich ist (www.achtsamehochschulen.de). „Bei der Achtsamkeit – also der Fähigkeit, sich zu fokussieren, zu priorisieren und sich nicht von jeder SMS oder Twittermeldung sofort ablenken zu lassen – handelt es sich um eine grundlegende Kulturtechnik für die digitale Gesellschaft, die in Zukunft noch erheblich an Bedeutung gewinnen wird”, so weiter Tiefensee mit Blick auf das Thüringer Modellprojekt.

Im Wintersemester 2018/19 werden in diesem Rahmen an den drei Partnerhochschulen verschiedene Veranstaltungen angeboten und gleichzeitig wissenschaftlich über ein Fragebogendesign unter der Leitung von Prof. Dr. Heiko Haase (SW) evaluiert. Hier eine Übersicht über das Kurs- und Veranstaltungsangebot an der EAH Jena:

MBST: Das Mindfulness Based Student Training führt in den Stand der Achtsamkeitsforschung und in grundlegende Achtsamkeitsmethoden ein. Es hilft bei der Umsetzung täglicher Achtsamkeitspraktiken sowie bei der Entwicklung von achtsamen Formen der Studiumsgestaltung. Der MBST-Kurs ist wie auch schon in den letzten Semestern ein Angebot des Studium Intergrale, an dem sich die Fachbereiche Betriebswirtschaft, Wirtschaftsingenieurwesen und Sozialwesen beteiligen. Interessierte können sich bei Prof. Dr. Heiko Haase (BW), Prof. Dr. Burkhard Schmager (WI) und Prof. Dr. Mike Sandbothe (SW) nach freien Plätzen erkundigen.

MBET: Das Mindfulness Based Employee Training ist ein Angebot für Mitarbeitende an Hochschulen, um Achtsamkeit in den Hochschulalltag zu integrieren. Im Juli 2018 gab es hierzu eine erste Informationsveranstaltung unter der Leitung des verantwortlichen MBSR-Trainers René Spielmann. Der Kurs ist bereits ausgebucht. Im kommenden Sommersemester 2019 wird das innovative Format erneut angeboten. Interessierte können sich beim Projektkoordinator Martin Weber (koordination@achtsamehochschulen.de) melden und sich jetzt schon auf die Warteliste setzen lassen.

Neben den Achtsamkeitstrainings für Studierende und Mitarbeitende wirkt zusätzlich das Mindfulness Based Teacher Training (MBTT) mit der anschließenden Ausbildung zum Achtsamen Hochschullehrenden (AH-Ausbildung) nach. Im letzten Semester haben sieben Lehrende der EAH Jena für die zwei Semester umfassende Weiterbildung ein Zertifikat erhalten. Die Ausbildung ermöglicht den Lehrenden nicht nur das persönliche Einüben einer achtsamen Grundhaltung, sondern auch die Nutzung von Achtsamkeitsübungen in ihrer Forschungs-, Gremien- und Lehrtätigkeit. Im Rahmen der regulären Lehrangebote gibt es im Wintersemester 2018/19 in den Fachbereichen Wirtschaftsingenieurwesen und Sozialwesen fachbezogene Seminare und Vorlesungen, die didaktisch-methodisch über die Achtsamkeitspädagogik aufbereitet werden und damit prototypisch achtsames Lehren und Lernen an der EAH Jena weiterentwickeln.

Zusätzlich findet in diesem Semester wieder die von der Projektmitarbeiterin Saskia Jäger organisierte Achtsame Mittagspause statt. Ziel des Angebotes ist es, interessierten Studierenden während des Semester zweimal in der Woche eine halbe Stunde gemeinsame Achtsamkeitsübungen zu ermöglichen. Zu diesem Zweck werden dienstags und donnerstags jeweils von 13.00-13.30 Uhr in Raum 05.03.11 (“Medienstudio”) einfache Yogaübungen, Meditationen, Body Scans und weitere Elemente der Achtsamkeitspraxis von wechselnden Trainern angeleitet. Zur Teilnahme an dieser offenen (!) Veranstaltungsform bedarf es keiner Anmeldung, keiner regelmäßigen Anwesenheit und keiner besonderen Vorkenntnisse. Das Bedürfnis nach innerer Ruhe und Ausgeglichenheit sowie Neugierde reichen als Teilnahmebedingungen aus. Yogamatten, Decken und Meditationskissen gibt es im Raum. Interessierte Studierende aller Fachbereiche sind herzlich eingeladen. Auch Studierende der FSU sind willkommen.

In Zusammenarbeit mit dem Projekt Gesundes Lehren und Lernen an der EAH Jena hat darüber hinaus vom 8. bis 12. Oktober 2018 der Inkubationsworkshop Achtsame Erlebnispädagogik stattgefunden. Unter Leitung von Prof. Dr. Ulrich Lakemann (FB SW)  und der Bielefelder Achtsamkeitslehrerin Karin Krudup haben 30 Hochschullehrende der beiden Jenaer und anderer Thüringer Hochschulen auf Schloss Eyba bei Saalfeld achtsamkeitsbasierte und erlebnispädagogische Methoden kennen gelernt und für die gezielte Anwendung in der Hochschullehre auf gesundheitsförderliche Art und Weise miteinander verbunden.

Weitere Angebote des Thüringer Modellprojekts bestehen in dem eintägigen Workshop-Format Mindful Leadership@University (ML@U) und in den zwei mal pro Jahr stattfindenden Arbeitstreffen der überregionalen Kooperationsplattform Achtsame Hochschulen. Zu den ML@U-Workshops, die im Zeitraum Juni bis November 2018 an fünf Terminen im Augustinerkloster Erfurt durchgeführt werden, haben sich mehr als 80 Führungskräfte von 8 der insgesamt 10 Thüringer Hochschulen angemeldet. Das erste Arbeitstreffen der überregionalen Kooperationsplattform hat am 26. Mai 2018 in den Rosensälen der FSU Jena stattgefunden. Es wurde vom Rektor der EAH Jena, Prof. Dr. Steffen Teichert, eröffnet. Das nächste Treffen findet am 17. November am gleichen Ort statt. Ziel der überregionalen Kooperationsplattform, an der Vertreter von Hochschulen u.a. aus Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen,  Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen teilnehmen, ist die kooperative Antragstellung für bundesweite FuE-Projekte zum Themenfeld Achtsame Hochschulen.

Erschienen in: FACETTEN – Die Hochschulzeitung, Nr. 37, Oktober 2019, Seite 36 – 37