Thüringer Modellprojekt „Achtsame Hochschulen in der digitalen Gesellschaft“ (2017-2019)
Welches Ziel hat das Thüringer Modellprojekt verfolgt?
Ziel des Thüringer Modellprojektes war herauszufinden, ob und wie Achtsamkeitstrainings Menschen im Hochschulalltag dabei helfen, wie sie souveräner und fokussierter mit den Anforderungen der Digitalisierung umgehen und die eigene Gesundheitsförderung stärken können.
Welche Hochschulen waren beim Thüringer Modellprojekt involviert?
Initial-Hochschulen waren die Ernst-Abbe-Hochschule Jena („Keimzelle“ und Konsortialführer des Modellprojektes), die Friedrich-Schiller-Universität Jena und die Technische Universität Ilmenau. Als weitere Partnerhochschulen in Thüringen sind die Universität Erfurt, die Hochschule Nordhausen und die Bauhaus-Universität Weimar hinzugekommen.
Wer hat das Projekt finanziert ?
Das Thüringer Modellprojekt war ein auf zwei Jahre angelegtes Transferprojekt (2018/2019) des AOK-PLUS-Innovationsprojekts Gesundes Lehren und Lernen (GLL) an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena. Finanziell gefördert wurde das Thüringer Modellprojekt durch die AOK PLUS – Die Gesundheitskasse für Thüringen und Sachsen, das Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft (TMWWDG) des Freistaats Thüringen und jeweils gleichmäßig von den drei Initial-Hochschulen.
Was bedeuten Achtsamkeit und Mindfulness Based Stress Reduction (MBSR)?
„Achtsamkeit (engl. mindfulness) beinhaltet auf eine bestimmte Weise aufmerksam zu sein: bewusst, im gegenwärtigen Augenblick und ohne zu urteilen.“ (Jon Kabat-Zinn, Im Alltag Ruhe finden. Meditationen für ein gelassenes Leben, München: O.W. Barth 2010, S.18)
Auf Basis dieser Annahme entwickelte der Medizinprofessor und Molekularbiologe Jon Kabat-Zinn am Massachusetts University Hospital im Jahr 1979 das säkulare Achtsamkeitstraining Mindfulness Based Stress Reduction (MBSR). In dem mehrwöchigen standardisierten Programm werden verschiedene Methoden vermittelt, die Achtsamkeit schulen und fördern.
Wie entstand die Idee, Achtsamkeitstraining an Hochschulen anzubieten?
Der Stresslevel im Hochschulalltag ist erwiesenermaßen sehr hoch. Digitalisierung und digitale Medien bringen zudem neue Anforderungen mit sich. Dabei haben die verschiedenen Personengruppen an einer Hochschule – Studierende, Dozierende, Führungskräfte, MitarbeiterInnen – mit ganz eigenen Anforderungen zu kämpfen. Achtsamkeit kann hier als Metakompetenz erworben werden, um mit diesen Anforderungen besser umzugehen und die eigene Persönlichkeit zu stärken.
Was war besonders an den Achtsamkeitstrainings im Thüringer Modellprojekt?
Auf Basis von MBSR wurden verschiedene Prototypen von Kursformaten entwickelt, erprobt und auf die spezifischen Bedürfnisse der akademischen Statusgruppen angepasst. So entstanden prototypische Achtsamkeitsangebote für Studierende (Kursformat Mindfulness Based Student Training = MBST), Hochschuldozierende (Mindfulness Based Teacher Training = MBTT), Hochschulführungskräfte (Mindfulness Based Leadership Training = MBLT) und HochschulmitarbeiterInnen (Mindfulness Based Employee Training = MBET). Darüber hinaus konnten sich in der Zertifikatsausbildung „Achtsame Hochschullehrende“ (ZAH) Hochschullehrende, die bereits an einem MBSR- oder MBTT-Kurs teilgenommen haben, weiterbilden lassen, um kleine Achtsamkeitseinheiten in ihre Seminare und Vorlesungen pädagogisch sinnvoll zu integrieren. Es ging darum, achtsam in allen Tätigkeitsfeldern zu werden – beim Lernen, Lehren, Führen und Dienstleisten. Die Wirkungsweisen der Prototypen wurden medizin- und sozialwissenschaftlich evaluiert.
Wie viele Menschen haben an den Achtsamkeitsangeboten teilgenommen?
Mehr als 3.000 Menschen (darunter Studierende, Dozierende, Mitarbeitende und Hochschulführungskräfte) haben in den Jahren 2018 und 2019 die Achtsamkeitsangebote des Thüringer Modellprojekts an den sechs beteiligten Hochschulen wahrgenommen. Allein 25 MBST-Kurse fanden während des Projektzeitraums statt. Die Maßnahmen des AOK-PLUS-Innovationsprojekts Gesundes Lehren und Lernen an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena, aus dem das Thüringer Modellprojekt hervorgegangen ist, hatten in den Jahren 2015 bis 2019 mehr als 7.000 Teilnehmende.
Wie wurde die Wirkung der Achtsamkeitsangebote untersucht?
Die Wirkung der Achtsamkeitsangebote im Thüringer Modellprojekt wurde sowohl medizinisch als auch sozialwissenschaftlich evaluiert. Bei der medizinischen Evaluation wurden über verschiedene Zeiträume zahlreiche Parameter bei Probanden erfasst, die zeigen, wie Stress auch objektiv (nicht nur subjektiv empfunden) reduziert wird. Bei der sozialwissenschaftlichen Evaluation untersuchte man über verschiedene Zeitfenster Stressbelastung, Wohlbefinden, Achtsamkeit und Internetnutzung.
Was ist für die weitere Zukunft nach Projektende geplant?
Achtsame Hochschulen in der digitalen Gesellschaft war ein in der Form einzigartiges anschlussfähiges Leuchtturmprojekt. Die unter Leitung von Prof. Dr. Mike Sandbothe und PD Dr. Reyk Albrecht entwickelten prototypischen Achtsamkeitstrainings für Studierende, Lehrende, Mitarbeitende und Führende an Hochschulen wurden an sechs Hochschulen in Thüringen erprobt. Aufgrund der Covid-19-Pandemie und der damit verbundenen Digitalisierung des Studiums haben Sandbothe und Albrecht die Prototypen durch Neuentwicklungen ersetzt. Zu diesem Zweck wurde die Firma Achtsam Digital gegründet. Die von ihr entwickelten neuen Online-, Offline- und Hybridformate MBST 1.0, MBTT 1.0, MBET 1.0, MBLT 1.0 und ZAH 1.0 lösen sich vom klassischen MBSR-Format, indem sie erstmals individuelle, soziale und systemische Achtsamkeitsübungen systematisch miteinander verbinden.
Wo und wie sind die Ergebnisse und Erfahrungen aus dem Thüringer Modellprojekt dokumentiert?
Die Projektergebnisse sind in dem Buch Achtsame Hochschulen in der digitalen Gesellschaft und in dem Youtube-Kanal Achtsame Hochschulen dokumentiert.